Dienstag, 19. Oktober 2010

Aufstehen!

Der Vizekanzler fragt sich, was wohl andere Länder über Deutschland denken, bei dieser "skeptischen Grundhaltung" der Bevölkerung gegenüber solchen superfortschrittlichen Top-Projekten wie Stuttgart 21. Grundsätzlich, würde ich sagen, ist eine skeptische Grundhaltung gar nicht schlecht. Nur, weil ein paar dubiose Landespolitiker und ihre Freunde aus der Industrie solche Projekte ausmauscheln, kann man nicht davon ausgehen, dass dieser Unsinn "demokratisch legitimiert" ist. Was ist hier schon demokratisch legitimiert? Die sogenannten Eliten machen doch, was sie wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass in anderen Ländern Beifall aufbrandet: "Endlich wachen die Deutschen auf, endlich machen sie mal den Mund auf und gehen auf die Straße, nachdem sie jahrzehntelang jeden Blödsinn mitgemacht haben, den sich ihre Herren ausgedacht haben." Das ist nämlich das Problem hier: Die Deutschen sind keine Bürger, sie sind Untertanen. So kann Demokratie nicht funktionieren. Kaum läuft jetzt mal eine Abzugsmasche nicht so rund, wie man es gewohnt ist, wird die Demagogenkeule rausgeholt: "Die Zukunft gehört den Gesellschaften mit hohem Veränderungspotential", ist zum Beispiel ein Spruch, der jetzt von einer Regierung kommt, die sich an die Atomkraft klammert, oder auch die Behauptung: "Die Demonstranten sind von Linksextremisten unterwandert", ist sehr beliebt. Der linke Popanz, älter als dieses Land, muss immer herhalten, wenn Bürger ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen. Die Machthaber in diesem Land sind so sehr an ihren Selbstbedienungsfilz gewöhnt, dass sie ganz unruhig werden, wenn sie sich nicht reibungslos die Taschen füllen können. Unser Innenminister, genau so ein Hardliner wie seine Vorgänger Schily und Schäuble, wettert jetzt gegen die Eltern der demonstrierenden Schüler in Stuttgart, anstatt sich zu freuen über dieses Lehrstück angewandter Demokratie, dieses Schülerprojekt für den Politikunterricht, und auch er faselt was von der steigenden Gewaltbereitschaft der Demonstranten. Die zahlreichen Dokumente der polizeilichen Prügelorgien sprechen da eine andere Sprache. Es wird Zeit, dass die Bürger, nicht nur in Stuttgart, endlich aufstehen. Es geht um größere Dinge als nur um einen Bahnhof. Hier wird ein ganzer Staat geschleift, Errungenschaften, die in Jahrzehnten erkämpft wurden, werden von dieser Regierung und ihren Herren in der Industrie zerstört. Dafür lohnt es sich, aufzustehen, sonst sind wir bald wieder in dem Land, dass ich nur aus Schwarz-Weiß-Dokumentationen kenne.

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