Samstag, 25. Juni 2011

Kinder heute

Gestern las ich diesen interessanten Bericht darüber, wie unsere Kinder für die Interessen der Wirtschaft geopfert werden. Ich selbst bin in den 70ern aufgewachsen, als die Jeans, die damals noch Nietenhosen hießen, einen Schlag hatten und die Pullover, gelinde gesagt, schräge Muster. Das war aber nicht so wichtig, man war Kind und hatte viel zu tun, rausgehen, spielen, die Welt entdecken und erobern, unbehelligt von den Erwachsenen. Die Schule war ein lästiges Übel, wurde aber eben durchgezogen und endete irgendwann mit einem Abschluss, in meinem Fall mit dem Abitur. Heute, viel mehr als früher, geht es nur noch darum, die Kinder in den Schulen für den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Musische Fächer sind unwichtig, Geisteswissenschaften sind Blödsinn und die Entwicklung zum selbstständigen, selbst denkenden Menschen ist nicht erwünscht. Das Wirtschaftswachstum steht auf dem Spiel und diesem steten, um nicht zu sagen ewigen, ja heiligen Wachstum hat sich alles unterzuordnen. Dubiose Institutionen legen Kriterien fest, nach denen die Kinder zu formen sind und wer nicht mitkommt, wird durchgereicht. Um dem vorzubeugen, geraten immer mehr Schüler in die Fänge einer regelrechten Nachhilfeindustrie. Anstatt die Schulen besser auszustatten und alles mal etwas relaxter anzugehen, werden die Kinder gnadenlos gedrillt und die Schulzeit, so im Falle des G8, völlig unnötigerweise verkürzt. Das war natürlich auch eine Forderung der Industrie, die Kanonenfutter für den Fertigungsprozess braucht. Dass die Kinder dabei auf der Strecke bleiben, ist uninteressant, die Menschen sollen arbeiten, möglichst unentgeltlich und störungsfrei bis zur Rente, die Schnauze halten und nach dem Arbeitsprozess möglichst schnell sterben, um keine Kosten zu verursachen. Wie zu erwarten, lassen sich die Politiker allzu gerne vor diesen Karren spannen, statt der ganzen Geschichte Einhalt zu gebieten. Die Industrie pfeift und ihre Vasallen springen, ist doch immer der gleiche Mist. Wenn jetzt aber die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände fordert, alle Schulen zu privatisieren, dann reicht es. Weist dieses Pack in seine Schranken. Schule als Dienstleistungsbetrieb statt als soziale Einrichtung, so etwas kann doch nur kranken Hirnen entspringen, Wirtschaft ist nur ein Aspekt des Lebens, aber längst nicht der Wichtigste. Warum machen zum Beispiel die Kirchen keinen Aufstand? Die haben doch ihre Agenten in den Schulen, die dort überflüssigerweise Religionsunterricht geben, die müssten doch einen Einblick in die Situation haben und den Schülern beistehen. Ich denke, das sind so tolle moralische Instanzen? Die haben wohl auch eher treue Schäfchen und potenzielle Kirchersteuerzahler im Blick, das Wohl der Jugend ist da nicht so wichtig. Die Situation an den Schulen ist also schlimmer denn je, das ohnehin miserable deutsche Schulsystem mit seiner Frühselektion wird systematisch kaputtgespart und soll unternehmerischen Institutionen Platz machen und die Politiker halten Maulaffen feil, das können sie nämlich am besten. Ich sehe nicht, dass es gesellschaftlich irgendwie voran geht, eher das Gegenteil. Arme Jugend.